[Rezension] Dave Eggers: The Circle

DEggers

Mae hasst ihren Job und ist auch sonst unzufrieden. Also bittet sie ihre beste Freundin Annie um Hilfe, die einen hohen Rang beim heißbegehrten Internet-Konzern The Circle innehat. Tatsächlich findet sich Mae kurz darauf an ihrem eigenen Schreibtisch in dem hochmodernen Firmenkomplex des Unternehmens wieder. Während ihrer Einarbeitungszeit erfährt sie immer mehr über die dortigen Projekte und Abläufe. The Circle hat bereits das Internet revolutioniert, in dem es alle Vorgänge mit einem Konto, einer Identität verbunden hat. Doch die Macher streben nach immer neuen Erfindungen und Programmen, mit denen sie das Leben der Menschen erleichtern können. Oder überwachen? Einengen? Kontrollieren?

Dave Eggers Roman beschreibt die stetig wachsende Überwachung und die wirtschaftliche Ausbeutung der Privatsphäre durch Internetfirmen sehr überzeugend. Programme, die nützlich erscheinen oder versprechen, das Leben bequemer zu machen. Programme, die mit zunehmenden Zahl immer mehr Aufmerksamkeit der Nutzer binden und deren Tätigkeiten, Lebensgewohnheiten und -einstellungen erfassen und beeinflussen. Firmen, die dadurch nicht nur immer mehr Kapital, sondern auch Einfluss auf die Bevölkerung und ihre politischen Vertreter erlangen. Menschen, die jeden Teil ihres Lebens online ausbreiten, alles und jeden mit einem schnellen Klick bestätigen oder tadeln. Die vielleicht auch naiv, alles mit der Welt teilen wollen. Nutzer, die sich immer mehr von der Technologie absorbieren und kontrollieren lassen. Der Roman zeichnet eine erschreckende Vision, die ohne Intervention sicher nicht mehr allzu weit in der Zukunft liegt.

Wortwahl und Sprachstil sind schlicht und einfach. Da wird lieber zum dritten Mal „sagt“ nach einander verwendet, als eine Alternative zu wählen. Leider bleibt der Roman auch sonst hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Das Problem von The Circle besteht darin, dass es weder als Thriller noch als Satire funktioniert. Im ersten Fall schafft es der Autor nicht, eine interessante Protagonistin (oder andere Figuren) noch einen spannenden Plot zu erschaffen. Beides bleibt überraschend eindimensional. Im zweiten Fall erschafft er keinen Aha-Moment.

Mae wirkt insgesamt unsympathisch. Dazu trägt vor allem ihre wenig verständliche und meist unmotiviert Handlungsweise bei. Ihre Beweggründe bleiben weitestgehend unbekannt. Auch ihre Beziehungen zu und mit den beiden männlichen Hauptfiguren sind kaum nachvollziehbar. Einerseits berauscht sie sich an ihrer Macht, die sie offensichtlich über den einen hat, während sie andererseits Wachs in den Händen des anderen ist. Über ihre Vergangenheit, ihre Beziehung zu ihren Eltern oder auch die zu ihrem Ex-Freund Mercer erfährt der Leser wenig. Obwohl letzter den Aktivitäten des Circles sehr kritisch gegenübersteht, hat nichts von diesem kritischen Geist auf Mae abgefärbt. Im Gegenteil, sie redet sich wirklich alles schön und übernimmt auch die billigsten Erklärungen ihrer Vorgesetzten. Dies wäre für eine Satire wiederum unproblematisch, weil sich sie sich durch Übertreibung, Sarkasmus oder Ironie auszeichnen würde. Einzig übertrieben wirkt hier aber nur Maes Naivität mit der sie alles hinnimmt, was bei The Circle vorgeht. Aber steht sie  damit nicht  für viele User der Sozialen Medien, die sich keine Gedanken über Datenschutz oder andere Nachteile machen? Das hieße im Umkehrschluss, dass es keine Übertreibung, sondern einfach nur realistisch ist. Genauso verhält es sich mit der zunehmenden Anzahl von Bildschirmen, die an Maes Schreibtisch aufgebaut werden und die sie später sogar am Körper trägt. Was auf den ersten Blick komisch wirkt, beschreibt auf den zweiten nur Tatsachen. Laptop, Smartphone, Fitnessarmband, Tablet etc. Genauso wie die Suchtgefahr, die vom (gefühlten) Anspruch, ständig online sein zu müssen, ausgeht.

Die Geschichte wird stringent erzählt. Es gibt kaum überraschende Wendungen, geschweige denn einen Spannungsbogen. Allein die Frage, ob Mae doch noch „schlau“ wird und sich auflehnt, hält die Neugier wach. Ihre Eltern oder Mercer verblüffen ebenso wenig, sondern werden hin und her geschoben wie Figuren in einem Schachspiel. Es fehlt an einer Person, die das Verhalten der Hauptfigur kontrastiert und in die richtige Perspektive rückt. Die wenigen Ereignisse und Offenbarungen, die den Leser wirklich mitreißen könnten, werden lahm und eher nebenbei abgehandelt. Stattdessen werden die Pläne des Unternehmens und wie sie der Öffentlichkeit präsentiert werden, zwar glaubwürdig, aber auch sehr ausgiebig und erschöpfend (vor allem für den Leser) ausgebreitet. Seitenlange Langeweile garantiert.

The Circle zeichnet eine mehr als wahrscheinliche Version unserer Zukunft. Und es zeigt, wie einfach es ist, den Menschen kritische Technologien mit ein paar warmen Worten zu verkaufen. Und wie eilfertig sie ihre Privatsphäre aufzugeben bereit sind. Nichtsdestotrotz tut Dave Eggers damit nichts anderes, als ein gutes Sachbuch zum selben Thema. Als Roman verpasst er seine Chance, obendrein zu unterhalten und unterschwellig überraschende Einsichten zu vermitteln. Der Spiegel, der dem Leser vorgehalten wird, ist eher trübe. Der Moment der Selbsterkenntnis rückt in weite Ferne, da es allzu leichtfällt, Mae als naiv und dumm abzutun.

3/5 Schreibmaschinen

3Writer

Dave Eggers, The Circle, Kiepenheuer & Witsch 2014.

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2 Kommentare zu „[Rezension] Dave Eggers: The Circle

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