[Rezension] Deirdre Purcell: Ein Turm am Meer

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Immobilienmaklerin Claudine soll Erkundigungen über das verfallene Anwesen Whitecliff einholen. Ihr Chef hat Gerüchte gehört, dass es bald zum Verkauf stehen könnte. Als Claudine das Grundstück betritt, trifft sie auf einen alten Mann. Der Landstreicher hat sich offensichtlich häuslich eingerichtet, ist erst skeptisch, führt sie dann jedoch herum. Im Salon des Hauses fällt der Maklerin die außergewöhnliche Form des Kamins auf. Sie hat ihn schon einmal gesehen. Auf einem Foto, das ihre Mutter auf einer Party zeigt. Welche Verbindung hatte diese zu den ehemaligen Besitzern, der Familie Shine? Claudine hat ihre Mutter nie kennengelernt, da die bei ihrer Geburt gestorben ist, und hofft auf eine Chance, mehr über sie zu erfahren. Wenig später trifft sie Violet Shine, die betagte Besitzerin von Whitecliff, und hört nicht nur Erstaunliches über ihre eigene Mutter, sondern auch Violets unglaubliche Lebensgeschichte.

Es gibt zwei Erzählstränge, die zwischen Claudines und Violets Sicht wechseln. Während der erste in der Gegenwart liegt, führt Violets tragische Jugend zurück in die Vierziger Jahre. Sie bildet den eigentlichen und spannenden Kern des Romans. Beide Stränge beinhalten ganz unterschiedliche Situationen und Themen. Das ist recht abwechslungsreich und auch interessant gestaltet. Unterhaltung während des Lesens ist garantiert. Im Rückblick fragt man sich allerdings, ob das Ganze nicht mehr „Schein als Sein“ war. Der Spannungsbogen ist nämlich keineswegs ausgefeilt. Das eigentliche Geheimnis muss gar nicht entschlüsselt werden, da es schon im ersten Kapitel preisgegeben wird. Die Frage, wie es dazu kommt, hält den Leser zwar bei Laune, fällt aber letztlich leider recht gewöhnlich aus. Und auch die Lösung des „Rätsel“ um Claudines Mutter ist im Grunde mehr als unspektakulär. Erschwerend hinzukommt, dass sich die letzten Kapitel etwas ziehen (samt einer sehr typischen weiteren „Offenbarung“) und auch das Romanende wenig zufriedenstellend gestaltet ist.

Sprachlich überzeugt der Roman auf ganzer Linie. Auch in diesem Fall übertrifft Violets Erzählung die von Claudine. Sie bringt dem Leser nicht nur ihre Umgebung und Mitmenschen nahe, sondern auch ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Zwar trifft dies in etwas abgeschwächter Form auch auf Claudine zu, doch Violets Erzählung vermittelt weitaus stärker Zeitkolorit, ist blumig und sehr bildhaft. Auch dieser Aspekt lenkt vom etwas mauen Spannungsbogen ab. Deirdre Purcell erschafft außerdem sehr lebendige und lebensnahe Figuren, deren Persönlichkeit, Motivationen, Hoffnungen und Ziele sehr klar herausgearbeitet werden. Auch der Handlungsort Irland wird auf jeder Zeitebene realistisch ausgestaltet.

Ein Turm am Meer ist ein unterhaltsamer Schmöker, der allerdings weniger Inhaltlich als stilistisch überzeugen kann. Auf der Kate-Morton-Skala der „Familiengeheimnisse, die Jahrzehnte später erforscht werden“ erreicht Deirdre Purcells Roman leider nur 3 Schreibmaschinen.

3/5 Schreibmaschinen

3Writer

Deirdre Purcell, Ein Turm am Meer, Blanvalet Taschenbuch Verlag 2009.

15 Kommentare zu „[Rezension] Deirdre Purcell: Ein Turm am Meer

      1. Die verlorenen Spuren hat mir bis gestern noch gestern noch gefehlt. Da hab ich es sehr günstig erstehen können. Da es dir nicht gefiel, bin ich jetzt umso gespannter darauf 🙂 . Das geheime Spiel war mein erster Roman von ihr. Damit hat sie mich eingefangen und es ist bis jetzt mein Lieblingsbuch von ihr.

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      2. Ich bin da vielleicht etwas zu empfindlich :). Allerdings muss man sagen, dass selbst das schwächste Werk von K. Morton denen vieler anderer Genre-Autorinnen noch haushoch überlegen ist. „Schwach“ ist bei ihr wirklich immer noch hoch anzusetzen.

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      3. Ja bei ihr liegt die Messlatte doch höher. Ich hab neulich Black Rabbit Hole von Eve Chase gelesen und dachte immer nur: das hätte Morton viel besser gemacht. Was ist denn das für eine plumpe Geschichte?

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      4. 😀 😀 Auch bei Black Rabbit Hall habe ich mich streckenweise durchaus unterhalten gefühlt, aber ich gebe dir absolut recht, das war schon teilweise sehr plump. Und auch in dem Fall sprach mich mal wieder die Gegenwartsgeschichte weitaus weniger an. In dem Teil sind die Figuren in vielen Fällen leider nicht so überzeugend.

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      5. Ist wahrscheinlich auch schwierig, weil der geheimnisvolle Teil ja meist in der Vergangenheit ist. Wobei ich hier wieder die fernen Stunden loben muss. Hier mochte ich die Gegenwartsprotagonistin richtig gern

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