Nach einem tragischen Unglück hat sich die erfolgreiche Pianistin Julia Forrester in ein kleines englischen Cottage zurückgezogen. Eines Tages schleppt ihre ältere Schwester sie ins Herrenhaus Wharton Park. Einst arbeitete ihr Großvater Bill als Gärtner für die Besitzer Crawford, doch nun soll es verkauft werden. Zufällig trifft sie dort Kit Crawford, den Erben des Anwesens, und wenig später erhält sie von ihm ein altes Tagebuch, das im Gewächshaus gefunden wurde. Für Julia beginnt eine Reise in die Vergangenheit, an deren Ende nicht nur ein Geheimnis gelüftet werden wird.
Obwohl Julia als Protagonistin gelten kann, springt Riley fröhlich zwischen zahlreichen Perspektiven hin und her. Einerseits tragen diese Wechsel zum Tempo und der Gefälligkeit der Geschichte bei, so dass der Leser am Ball bleibt. Andererseits wird den einzelnen Sichtweisen selten mehr als ein großer Auftritt zugestanden. Gerade bei besonders interessanten Charakteren ist das jedoch einfach zu wenig. Man möchte ihre Meinung und Gefühle auch zu späteren Ereignissen wissen und nicht nur aus Erzählungen erfahren, wie diese gewesen sein könnten. Es wäre daher ratsam gewesen, die Anzahl der Erzählperspektiven zu verringern und diese mehrfach in die Geschichte einzuflechten.
Außerdem sollen die zahlreichen Perspektiven wohl über deutliche Längen hinwegtäuschen. Das gelingt allerdings nicht. Denn Riley verliert sich ständig in einer kleinteiligen und deshalb nervigen Erzählweise. Gefühlte fünfhundert Mal beobachtet der Leser die Figuren beim Essen und Trinken, gefühlte zweihundert Mal, wie sie spazieren gehen und Dinge besichtigen und weitere hundertfünfzig Mal, wie sie musizieren oder im Bett liegen. Mal mit Depressionen, mal mit Krankheit, mal um Sex zu haben oder tatsächlich zu schlafen. Längen schleichen sich auch im Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ein. Riley präsentiert die Zeitebenen als kompakte Blöcke, statt zwischen ihnen hin und her zu springen und damit für Abwechslung zu sorgen.
Sprachlich plätschert der Roman angenehm gemütlich vor sich hin. Riley erzählt sehr plastisch und auch die Gefühle der Figuren legt sie nachvollziehbar dar. Allerdings schreckt sie nicht vor manch platter, kitschiger Liebesplänkelei zurück. Letztere kann man mögen, muss es aber nicht. Ein Mann wie Kit, dem seine Liebesschwüre derart locker über die Lippen gehen, ist jedoch wohl eher ein seltenes Exemplar seiner Spezies. Besonders vielschichtig wirkt er trotz aller Mühe und Attribute, die ihm von Riley anhängt werden, leider nicht. Dies trifft ebenfalls auf die meisten anderen Figuren zu. Selbst Julia lässt sich nur schwerlich als vielschichtig beschreiben, denn die Autorin schenkt ihrer jeweiligen Gemütsverfassung mehr Aufmerksamkeit als ihrem eigentlichen Charakter.
Das größte Manko bietet jedoch die Handlung.
Schon am Anfang versäumt die Autorin spannende Fährten zu dem großen Geheimnis zu legen.
Darüber hinaus handelt es sich im Kern um eine wirklich langweilige und schon häufig erzählte Geschichte ohne Höhepunkte. Doch dies versucht Frau Riley durch zahlreiche Schicksalsschläge und hanebüchene Entwicklungen zu übertünchen. Ganz nach dem Motto „Mehr ist mehr“ werden in diesem Fall entweder Katastrophen oder Glücksfälle aus dem Hut gezaubert. Das Genre bringt ja durchaus den ein oder anderen merkwürdigen Zufall oder eine etwas weit hergeholte Verbindung zwischen den Figuren mit sich. Doch besonders gegen Ende übertreibt Riley es, so dass sich mancher Leser sicher nicht mehr ernstgenommen fühlt (um härtere Ausdrücke zu vermeiden). Und nach vielen holprigen Schlaglöchern folgt trotz allem das obligatorische Happy-End. Das winkt jedoch nicht wie der sprichwörtliche Zaunpfahl, sondern wird der Leserschaft mehr oder weniger brutal über den Kopf gezogen.
Trotz aller Gefühle und dargebotener Feinsinnigkeit erzählt Das Orchideenhaus eine recht einfallslose Geschichte, garniert mit plumpen Einfällen und kitschigen Momenten. Geschenkt, dass der Klappentext einen anderen Schwerpunkt legt, als es die Geschichte letztlich tut. Dem Genre gereicht der Roman so oder so nicht zu Ehren.
2/5 Schreibmaschinen
Ui. Das hört sich ja nicht so toll an. Aber super argumentiert. Naja es liegt schon auf dem SuB und wird trotzdem gelesen.
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Das ist gut. Man sollte sich durch negative Rezensionen nicht vom Lesen abhalten lassen, denn für einen selbst hält das Buch vielleicht einen Schatz bereit. Das wünsche ich dir auf jeden Fall 🙂 .
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Oh schade. Das liegt hier noch in meinen SuB. Wobei ich dem Alltäglichen – wie hier, dem Essen – ja durchaus etwas abgewinnen kann, wenn es zur Geschichte beiträgt. Klingt bei dir eher nicht danach.
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Hatte mir auch mehr versprochen, aber vielleicht habe ich überzogene Ansprüche 😉 . Nee, Depression, Krankheit etc. trägt schon zur Story bei, die ständige Esserei und Trinkerei 🙂 eher nicht. Leider entsteht halt oft der Eindruck, dass es sich um bloße Seitenfüller handelt und das trifft leider auf ganze Szenen zu. „Der Engelbaum“ strotze ebenfalls vor einigen abwegigen Entwicklungen, aber den Roman fand ich weitaus unterhaltsamer.
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Das ist tatsächlich schade. Hattest du Paterson gesehen?
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Paterson? Was meinst du genau? Irgendwie klingelt da bei mir gerade nichts….
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Ja, klar. Von dem Film habe ich gehört bzw. schon vor einiger Zeit mal Trailer und Besprechungen gelesen. Anscheinend hatte ich mir nur den Namen nicht gemerkt 🙂 .
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Der bildet auch Routinen ab und macht das wirklich ganz wundervoll, finde ich. Vielleicht gefällt er dir ja – so als Ausgleich zum Orchideenhaus. 🙂
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Danke für den Tipp. Ich behaupte mal „frech“, dass er sicher vielschichtiger und tiefgründiger damit umgeht als besagtes Buch. Liegt vermutlich auch am Genre vom „Orchideenhaus“.
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Das kann natürlich sein, aber ich mag gar nicht so viel vorwegnehmen. Solltest du ihn dir mal ansehen, würde mich deine Meinung dazu interessieren. Vielleicht gefällt er dir besser.
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Da mir „Das Orchideenhaus“ ja nur semi gefiel, ist die Wahrscheinlichkeit hoch 😉 . Ich werde mich auf jeden Fall melden, wenn ich den Film gesehen habe.
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