[Filmkritik] Equals – Euch gehört die Zukunft (2015)

 

Equals Poster

Irgendwann in der Zukunft:

Die Überlebenden eines globalen Atomkriegs konnten eine neue Gesellschaft aufbauen. Da sie in den Emotionen der Menschen die Ursache für Krieg und Gewalt sehen, haben Wissenschaftler eine Methode entwickelt, diese schon vor der Geburt auszuschalten. Allerdings werden manche Menschen irgendwann vom S(witch)-O(n)-Syndrom ergriffen, das die Gefühle zurückbringt. Erste Symptome können noch behandelt werden. Im Endstadium der Krankheit begehen die Betroffenen jedoch entweder Selbstmord oder verschwinden auf Nimmerwiedersehen in einer Spezialklinik.

Silas (Nicholas Hoult) trägt die gleiche Kleidung wie alle anderen. Er lebt in einem Appartement, das den Wohnungen seiner Nachbarn ähnelt. Seine Zeit ist wie die aller streng geregelt. Jeder Tag entspricht dem vorhergehenden und dem nachfolgenden. Die Eintönigkeit stört niemanden, da niemand etwas fühlt. Doch eines Tages spürt Silas doch etwas. Er ist zutiefst verwirrt und verängstigt. Niemand möchte das SO-Syndrom haben, denn es macht einen zum Aussätzigen. Der Arzt verschreibt Silas Medikamente, die jedoch nicht helfen. Der junge Mann versucht trotzdem ein normales Leben zu führen. Geht zur Arbeit. Aber immer häufiger kann er seinen Blick nicht von seiner Arbeitskollegin Nia (Kristen Stewart) abwenden. Warum ist er nur so fasziniert von ihr? Sie gibt ihm deutlich zu verstehen, dass sie keine Gefühle für ihn hegt. Doch dann entdeckt er Anzeichen, dass auch sie vom SOS-Syndrom betroffen sein könnte.

Die emotionslose Umwelt sowie Silas und Nias Liebe werden visuell und darstellerisch in Kontrast gesetzt. So werden beide Pole für den Zuschauer fühlbar. Regisseur Doremus schafft das einerseits mittels einer zurückgenommenen Inszenierung. Die Bilder wirken genauso gedämpft wie die Figuren. Jedes Bild ist im besten Sinne komponiert. Spartanische Landschaften, Gebäude, Einrichtungen spiegeln die innere Leere der Menschen wider. Auch die Dialoge sind auf das Wesentliche reduziert. Viel haben Menschen sich offensichtlich nicht zu sagen, wenn Gefühlsäußerungen wegfallen. Farben schaffen je nach Situation Kühle oder vermitteln Wärme.

Die musikalische Untermalung ist unaufdringlich und unterstützt dennoch jede Szene. Allein das Piepen zur Identifikation der Angestellten nervt auf Dauer etwas. Der reduzierte Rahmen, lange Einstellungen und eine Konzentration auf die Gesichter von Hoult und Stewart bündeln die Wahrnehmung der Zuschauer. All diese Elemente schenken dem Film eine ganz eigene Stimmung und bauen gleichzeitig Spannung auf.
Andererseits ist der Film völlig auf seine Hauptfiguren zugeschnitten. Alle übrigen Figuren verblassen dagegen, woran auch Guy Pearce nichts ändert. Silas‘ und Nias zögerliche Annäherung an ihre eigenen Emotionen und aneinander ist von Vorsicht und Misstrauen geprägt. Gleichzeitig fühlen sie die Leidenschaft für einander, der sie trotz aller Ängste nachgeben. Die Diskrepanz zwischen der Zurückhaltung, die in der Öffentlichkeit gewahrt werden muss, und ihrer Zärtlichkeit im Zusammensein wird für den Zuschauer spürbar. Houlst und Stewart stellen die ganze Spannbreite sehr feinfühlig und differenziert dar. Ihre gemeinsame Chemie ist unbestreitbar, aber auch unabhängig voneinander liefern sie eine mehr als überzeugende Leistung ab.

Hoult schlägt die Zuschauer vom ersten Moment in seinen Bann. Er überzeugt durch authentisches Spiel, ist präsent und vermag mittels noch so reduzierter Mimik und Gestik Silas‘ intensiven Gefühle gekonnt darzustellen. Es ist keineswegs übertrieben, ihn als charismatisch zu bezeichnen. Mancher wird sagen, dass Stewarts natürlicher Gesichtsausdruck dabei hilft, die emotionslose Fassade Nias darzustellen. Das trifft vermutlich auch zu. Allerdings vermittelt sie Nias starke Liebe zu Silas genauso eindrücklich wie ihre Qual und Aufgeriebenheit aufgrund der gesellschaftlichen Situation. Mag man zu Stewart stehen, wie man will, aber hier agiert sie sehr überzeugend.

Equals nutzt die Prämisse einer emotionslosen Gesellschaft als Vehikel um eine große Liebesgeschichte zu erzählen. Die Thematik wird allerdings auf die kleinste Ebene herunter gebrochen und auf keine höhere geführt. Erwartet man also eine reine Dystopie, die gesellschaftliche Entwicklungen erforscht und warnen möchte, dann ist die Enttäuschung wohl unabwendbar. Andererseits hilft der dystopische Hintergrund, das beliebte Motiv der Liebe gegen gesellschaftliche Widerstände in einem frischeren Rahmen darzustellen.

Die Handlung und Hauptdarsteller machen kleine Ungereimtheiten wett. Zum Beispiel, dass Silas und Nia sich häufig ohne Erlaubnis von ihrer Arbeit entfernen. Oder dass eine Gesellschaft, die derart misstrauisch gegenüber dem SOS-Syndrom ist, so wenig auf Überwachung setzt. Vielleicht ist man aber nur verwundert, weil die meisten Dystopien Überwachung als Kontrollinstrument nutzen und man es irgendwie erwartet. Vielleicht sind Überwachungskameras aber auch schon so in unserem Alltag angekommen, dass ihr Fehlen inzwischen ungewöhnlich scheint.

Equals – Euch gehört die Zukunft hat einige negative Kritiken eingeheimst. Vordergründig mag der ein oder andere Kritikpunkt zutreffen. Wer sich aber auf die Prämisse und die konzentrierte Erzählweise einlassen kann, wird mit einem ergreifenden Filmerlebnis und einer emotionalen Liebesgeschichte belohnt werden. Möglicherweise werden besonders Freunde des gepflegten Period Dramas hier einen Film nach ihrem Geschmack finden. Immerhin steht auch dort häufig eine zurückhaltende Liebe im Mittelpunkt, die sich vor allem in Blicken und Gesten ausdrückt.

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