[Filmkritik] Der scharlachrote Buchstabe (1995)

ScharlachroteBuchstabe

Hester Prynn (Demi Moore) zieht 1666 in die englische Kolonie Massachusetts. Hier haben sich Puritaner angesiedelt, um ihren Glauben frei von Anfeindungen auszuleben. Der neuen Bewohnerin begegnen sie mit Misstrauen, da sie ohne ihrem Ehemann angekommen ist, der auf einem anderen Schiff nachkommen soll.Außerdem bezieht sie eine Hütte abseits vom Dorf. Seit einem Indianerüberfall meiden die Dorfbewohner das Gebiet. Soviel Selbstständigkeit mutet ihnen verdächtig an, was Hester allerdings herzlich wenig kümmert. Sie richtet sich in ihrem neuen Leben ein, bestellt das Land und schließt Freundschaften.
Als sie eines Tages mit ihrem Pferdefuhrwerk im Wald unterwegs ist, beobachtet sie einen Mann, der völlig nackt im See badet. Bei ihrem nächsten Kirchenbesuch stellt sie überrascht fest, dass es sich um Reverend Arthur Dimmesdale (Gary Oldman) handelt, der die örtliche Gemeinde betreut. Das hindert beide allerdings nicht daran, bisher unbekannte Gefühle zu entwickeln: Liebe und Leidenschaft. Da Ehebruch mit dem Tod bestraft wird, muss die Beziehung aber geheim bleiben. Selbst als die Nachricht eintrifft, das Schiff auf dem Hesters Mann unterwegs gewesen ist, wäre von Indianern überfallen und Besatzung und Passagiere massakriert worden, müssen sie daran festhalten. Als Hester jedoch schwanger wird, wird ihr „Vergehen“ offenkundig. Das können die puritanischen Führer natürlich nicht hinnehmen und wollen unbedingt den Namen des Vaters erfahren. Hester wird ins Gefängnis geworfen, weigert sich aber standhaft den Namen zu verraten. Auch Arthur kann daran nichts ändern, obwohl er sie bittet, es zu tun. Schließlich wird Hester freigelassen, muss aber einen scharlachroten Buchstaben am Kleid tragen, der allen ihr Fehlverhalten sichtbar macht.

Um es gleich vorweg zu nehmen: die Verfilmung von Nathaniel Hawthornes Klassiker von 1995 hat mehrere Nominierungen für die Goldene Himbeere erhalten und Regisseur Roland Joffé hat den Preis letztlich auch bekommen. Ich wusste das vor dem Schauen nicht. Den Roman habe ich nie gelesen, ist mir aber natürlich ein Begriff. Von der Verfilmung hatte ich vorher schon gehört, als sie nun im Fernsehen lief, bin ich daran hängengeblieben. Ich war also insgesamt relativ vorurteilsfrei.

Als erstes sticht die Besetzung von Demi Moore als Hester Prynn und Gary Oldman als Arthur Dimmesdale heraus. Unvermittelt drängt sich die Frage auf, wer vor allem auch in Bezug auf das Liebespaar diese Kombination für passend hielt. Dass Moore als Produzentin involviert gewesen ist, beantwortet zumindest einen Teil der Fragen.
Schlussendlich macht Demi Moore ihre Sache als Hester überraschend gut. Sie zeigt ihre Figur als starke, eigenwillige Figur, die sich ihr Leben nicht von religiösen oder gesellschaftlichen Regeln vorschreiben lassen will. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht sie sich ihnen entgegenzustellen und ihr Leben zu gestalten. Zuschauerinnen können sich in Anbetracht der repressiven Bedingungen leicht in ihre Lage hineinversetzen und mitfühlen. Hesters verstecktes Sex-Appeal erinnert hier und da an Ein unmoralisches Angebot.
Moore und Oldman sind zwar eine gewöhnungsbedürftige Kombination, überzeugen aber überraschenderweise. Frei von Kitsch ist das alles wahrlich nicht, aber in seiner Wirkung nichtsdestotrotz sehr unterhaltsam. Drohen manche Szenen auch ins Lächerliche abzudriften, wird das durch die Hauptdarsteller verhindert. Die Gefühle zwischen Hester und Arthur sind in jeder Phase glaubhaft und ist schwer, davon unberührt zu bleiben. Dazu trägt auch die wirklich sehr gefühlvolle, mitreißende und wunderschöne Musik bei. Sie fungiert fast als dritter Hauptdarsteller.
Gary Oldman ist eine ungewöhnliche Wahl, aber er meistert seine Aufgabe mit Bravour. Jede Regung ist wohlgesetzt. Er meister die stillen wie aufbrausenden Momente mühelos. Auch er war für die Goldene Himbeere nominiert, aber kann ein Gary Oldman wirklich so mies sein? Die Antwort muss natürlich „Nein“ lauten 🙂 . Selbst als leidenschaftlicher Liebhaber kann er überzeugen.
Die übrige Besetzung tut es ebenfalls. Die Rolle von Hesters rachsüchtigem Ehemann fällt zwar recht eindimensional aus, doch verleiht Robert Duvall ihm dennoch Authentizität.

Die Inszenierung übertreibt es an manchen Stellen mit dem Kitsch. Als Hester und Arthur das erste Mal Sex haben, werden z.B. Gegenschnitte von der Sklavin, die davon anscheinend in Stimmung versetzt wird 😉 , eingefügt. Da stellt sich definitiv die Frage, worin die Aussage liegen soll. Dasselbe gilt für eine Badeszene, in der Demi nackt gezeigt wird. Andeutungen hätten hier wirklich ausgereicht. Doch die Inszenierung ist andererseits auch gelungen. Zum Beispiel, wenn das harte, entbehrungsreiche Leben in einer Kolonie oder die Herrschaft der Puritaner dargestellt werden. Diese Burschen und ihr frömmelndes, selbstgerechtes und menschenverachtendes Verhalten machen wirklich wütend. Die Unterdrückung von Frauen auf der einen Seite und auf der anderen die Unterstützung dieses Systems auch durch Frauen werden ebenfalls klar aufgezeigt.
Die Bilder entsprechen einer satten Historienverfilmung und laden ein, sich in die Epoche und das Setting hineinfallen zu lassen.

Die Handlung orientiert sich an der literarischen Vorlage, legt sie allerdings sehr frei aus. Sie ist also eher inspiriert von Nathaniel Hawthornes Werk als eine getreue Adaption. Kennt man den Klassiker allerdings nicht, dürfte das unwissenden ZuschauerInnen eigentlich nur beim Schluss auffallen. Das Happy End (das so auch nicht im Buch vorkommt), bietet nach all der Aufregung zwar einen versöhnlichen Abschluss, aber insgesamt ist das Ende einfach unlogisch. Hawthorne kann solch ein Ende kaum fabriziert haben. Ein Indianerüberfall soll die unnachgiebige Haltung der Dorfbewohner gegenüber Hester und Arthur abrupt und radikal verändert haben. Unmittelbar vorher wollte man sie noch hängen, nun soll ihnen vergeben werden. Der Zusammenhang wird nicht klar und ist aufgrund der puritanischen Grundhaltung total unplausibel.
Außerdem wird Hester als Beispiel weiblicher Emanzipation und Selbstermächtigung gezeigt. Sie packt zu, tritt energisch auf und weiß sich zu artikulieren. Sie steht den Männern in nichts nach. Damit bekommt sie eine moderne Attitüde, die einen deutlichen Bogen zum Jahr 1995 schlagen und das weibliche Publikum adressieren soll. Parallelen zwischen den Epochen lassen sich sehr leicht ausmachen. Ignoriert man die literarische Vorlage entbehrt die Darstellung durchaus nicht einer gewissen Attraktivität.

Wer die literarische Vorlage nicht kennt oder sie für die Dauer des Films ignorieren kann, wird mit einem sehr unterhaltsamen Film belohnt. Die Geschichte ist emotional-packend, die Darsteller überzeugen, visuell und sprachlich lässt sich ebenfalls schwelgen. Manchmal muss man einfach den Kopf ein wenig ausschalten, um einen Kostümfilm richtig genießen zu können. 🙂

7/10 Tickets

7Tickets

 

 

6 Kommentare zu „[Filmkritik] Der scharlachrote Buchstabe (1995)

      1. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht mehr wirklich dran erinnern kann. Ist doch schon ein ganzes Weilchen her, das ich den gesehen hab. Da ich das Buch auch nicht kenne, könnte ich auch keine genaue Aussage über die Parallelen nennen.

        Gefällt 1 Person

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