Florence Green (Emily Mortimer) beschließt, in dem kleinen britischen Küstenort Hardborough einen Buchladen zu eröffnen. Sie kauft das Old House und setzt ihre Pläne in die Tat um. Schließlich trifft Ihr Geschäft trotz vieler Widrigkeiten auf regen Zuspruch. In dem Mädchen Christine (Honor Kneafsey) findet Florence eine Hilfe und Freundin. In dem zurückgezogen lebenden Mr. Brundish (Bill Nighy) einen eifrigen Leser und Verbündeten. All das sehr zum Missfallen der einflussreichen Mrs. Gamart (Patricia Clarkson), die in dem alten Gemäuer Old House lieber ein Kultur- und Kunstzentrum schaffen möchte. Leider verfügt Mrs. Gamart über die Mittel und den Einfluss, um ihr Vorhaben mit Nachdruck zu verfolgen und Florence das Leben schwerzumachen.
Die Handlung spielt im Jahr 1959 in einem kleine malerischen Küstenort. Die Enge des Dorfes und die Einfachheit des Leben in den Fünfzigerjahren bilden den Rahmen für Florences Unternehmung. Entsprechend strotzen Ausstattung und Setting vor Zeit- und Lokalkolorith. Dies ist das Pfund, mit dem der Film eindeutig wuchern kann. Jeder Moment lädt das Auge ein, in den Bildern zu schweifen und zu schwelgen. Die Kostüme sind den Figuren angepasst und besonders Mrs. Gamarts Roben und die Accessoires regen zu Begeisterungsstürmen an. Man kann sich in die Optik des Films wie in ein wohliges Bad versinken lassen.
Auch die Besetzung lässt an keiner Stelle zu wünschen übrig. Emily Mortimer überzeugt als melancholische Witwe, die dennoch nach vorne blicken möchte. Bill Nighy füllt seine nicht weniger schwermütige Rolle ebenso überzeugend aus. Auch Christine und Mrs. Gamart sind passend besetzt und werden glaubwürdig zum Leben erweckt. Patricia Clarkson zeigt die hochgestellte Mäzenin mit kühler Eleganz und Berechnung. Auch an den übrigen Figuren lässt sich keine Kritik üben. Klar im Vordergrund stehen ohnehin die genannten vier. Dennoch muss ehrlicher Weise erwähnt werden, dass die SchauspielerInnen nicht wirklich gefordert werden und ihre Darbietungen über Routine nicht hinausgehen.
Die Geschichte um Florences Neuanfang wird sehr unaufgeregt in Szene gesetzt, was absolut zum Setting der späten Fünfzigerjahre passt. Man fühlt, hofft und bangt mit der sympathischen Hauptfigur. Es fällt ziemlich leicht, sich in ihre Situation hineinzuversetzen.
Erwartungen an bestimmte Wendungen oder Auflösungen erfüllt die Geschichte überhaupt nicht. Das ist grundsätzlich nicht negativ, sondern kann den Weg für interessante und ungewöhnliche Varianten bereiten. In diesem Fall ist das aber leider nicht so. Es ist also eher so, als werde eine Geschichte direkt aus dem Leben auf die Leinwand übertragen. Das Leben entwickelt sich ja auch selten wie erwartet oder erwünscht, wirkt eher gleichförmig trotz Schwankungen nach oben oder unten. Es hängt vom persönlichen Geschmack ab, wie sehr man das zu schätzen weiß oder sich an der Nase herumgeführt fühlt.
Hinzukommt, dass einige wichtige Aspekte der Handlung zwar spannungsvoll eingeführt werden, aber letztlich nicht so inszeniert werden. Stattdessen werden sie viel zu schnell und ohne Nachhall abgehandelt. Selbst der wohl als emotionaler Höhepunkt gemeinte Moment wird nicht ausgereizt. So lässt sich dem Film durchaus vorwerfen, die Tiefen seiner Geschichte nicht ausreichend auszuloten. Sowohl die ruhige Art der Inszenierung als auch die recht gleichmütige Erzählung können deshalb stellenweise langatmig wirken. Aber auch das ist ganz eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Das größte Manko jedoch ist, dass der grundlegende Konflikt nicht zufriedenstellend erklärt wird.
Angeblich steht das Old House seit Jahren leer und Mrs. Gamart hätte mehr als genug Zeit gehabt, es für ihr Zentrum zu nutzen. Doch erst als Florence auftaucht, will sie es mit aller Macht an sich bringen. Warum? Sie hat nichts dagegen, wenn ihre Widersacherin ein anderes Haus in Ort nutzen würde. Was steckt also wirklich hinter ihrer Absicht, das Old House an sich zu bringen? Leider wird ihre Motivation nie ergründet. Dasselbe lässt sich bei anderen Figuren beobachten und ist sehr enttäuschend.
Abgesehen davon wäre es sehr schön, wenn die Wirkung der Buchhandlung und ihrer Ware auf die Dorfgemeinschaft und -bewohner stärker herausgestellt werden würde.
Ein weiterer Punkt, der von den Machern womöglich gar nicht so gemeint ist, aber nicht minder ärgerlich ist, betrifft die mehr oder weniger subtilen Botschaften, die allgemein von Filmen transportiert werden. In diesem Fall erklärt Christine in einer Szene, dass gesagt werde, an kinderlosen Frauen ginge das Leben vorbei. Dass diese Einstellung auch heute noch verbreitet ist und es in den Fünfzigerjahren erst recht war, ist die eine Sache. Es stellt sich jedoch die Frage, wie relevant diese Bemerkung für die Handlung oder die Aussage des Films ist. Richtig, es spielt in Bezug auf Florence keine Rolle, transportiert jedoch ein bestimmtes Weltbild und eine bestimmte Erwartungshaltung an Frauen. Man kann es durchaus für bedenklich halten, dass Wertungen wie diese, aber auch viele andere im Jahr 2018 immer noch in Filmen (die eigentlich von anderen Dingen handeln) vorkommen. Warum können nicht endlich unterschiedliche Lebensformen ohne weitere Kommentare respektiert werden? Warum betrifft es meist Frauen, auf irgendeine Weise bewertet zu werden? Warum steht ihr Aussehen, ihr Auftreten, ihr Leben, ihre Talente ständig zur Diskussion? Es ließe sich sicher eine ganze Abhandlung über diese Thematik verfassen, in jedem Fall sollten FilmemacherInnen bewusst damit umgehen.
Der Buchladen der Florence Green lässt das Herz von Buch- und Großbritannien-LiebhaberInnen wirklich höherschlagen. Er schafft eine wunderschöne Atmosphäre und zeichnet ein authentisches Bild der Fünfzigerjahre. Gleichzeitig lässt es das Herz aber auch schwer werden, weil die zahlreiche Chancen nur bedingt genutzt werden. Dennoch sträubt sich das Herz dagegen, einen mit so viel Liebe gemachten Film mit einer geringen Bewertung abzustrafen. Deshalb erhält Der Buchladen der Florence Green sechs Filmtickets und ein Extraticket 😉 .
7/10 Tickets
Alle Rechte liegen bei den Inhabern!
Die Absicht von Filmemachern oder Drehbuchautoren eine Ansicht oder Absicht in ihr Werk einzubauen ist nicht selten, ist eher gewöhnlich, wie in jedem Buch wird auch hier ein Stück Subjektivität vermittelt. Es scheint mir jedoch, so wie du es beschrieben hast, sehr plump und einfältig, Sätze offenbar direkt an den Zuschauer zu richten, statt die Message zu verpacken, dies spricht nicht unbedingt für gutes Schreiben.
Das sich deine Kritik vor allem auf den Umgang mit Frauen bezieht, kann ich, da ich den Film nicht gesehen habe, nicht beurteilen, doch ist es erstaunlich, da der Film von einer Frau inszeniert wurde. Hast du denn noch andere Beispiele solcher versuchten Kategoriesierungen von Frauen durch Aussagen in Filmen?
LG TBC
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Ich glaube gar nicht unbedingt, dass Kategorisierungen immer bewusst geschehen. Da wird halt hier oder da ein Satz oder eine Szene eingefügt, die ganz alltäglich sind und deren tiefere Bedeutung bzw. Wirkung sich die Beteiligten gar nicht bewusst machen. Es sind dann weniger gezielte Botschaften, die ausgesendet werden sollen, sondern subtile Vorgänge, die überall und jederzeit geschehen und deshalb „normal“ sind. Dementsprechend auch in Filmen und Büchern einfach „nebenbei“ auftauchen. Dann reflektieren sie einfach nur die Lebenswirklichkeit, in der bestimmten Gruppen bestimmte Attribute unterstellt werden. Das würde auch erklären, warum es Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen ebenso passieren kann wie ihren männlichen Kollegen, diese zu „verarbeiten“. Gerade in unserer Zeit denke ich aber, dass die Sensibilität stärker werden sollte gegenüber jeglicher Kategorisierung. Vielleicht bin ich ja auch „übersensibel“, aber über solche Themen nachzudenken, halte ich für wichtig.
Im Fall von „Der Buchladen der Florence Green“ geschieht es in Bezug auf Frauen, aber jede andere Gruppe kann genauso von Clichés und Vorurteilen betroffen sein. Geht es dir nicht so, dass du manchmal bei Filmen denkst, sie transportieren bestimmte Botschaften über Männlichkeit, Weiblichkeit, Behinderungen, Hautfarben? Wenn das Thema des Films genau diese Aspekte betrifft, ist es meiner Meinung nach, auch etwas ganz anderes als wenn ein Film eigentlich von anderen Themen handelt und dann nebenher einfach solche Behauptungen eingestreut werden. Die wirken dann auch viel subtiler aufs Publikum.
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Mir geht es auf jeden Fall so. Zuletzt sah ich den Film Katzenmenschen aus den 1940ern. Die Geschichte spielt in den USA, das Land Serbien wird da als mittelalterliche Herkunft für Satanismus gezeichnet. Eine von dort kommende Figur wirkt entgegen der Amerikaner immer unterlegen und eben anders. Ich denke eine solche nicht-Auseinandersetzung mit bestimmten Gruppen findet heute weniger statt, alles wird jedoch irgendwie automatisierter vereinfacht und ohne Hinterfragen hingenommen. Das manche Bilder, so indoktriniert sind zeigt leider häufig die fehlende kritische Auseinandersetzung.
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Ich glaube, in vielen Fällen ist es heute nur subtiler. Aber es gibt immer noch sehr viele Filme, in denen verschiedenen Gruppen bestimmte Attribute „angehängt“ werden und das Individuum nicht als solches gesehen wird.
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