[Rezension] Zwei Esel auf dem Jakobsweg

Moore Jakobsweg

Als ein Bekannter davon spricht den Jakobsweg entlang wandern zu wollen, hält Tim Moore das für einen Scherz. Sind Pilger nicht Pestkranke mit speckigen Umhängen aus dem Mittelalter oder Zausel aus Das Leben des Brian? Dennoch setzt sich die Idee in seinem Hinterkopf fest. Da das Vorhaben sowieso schon verrückt zu sein scheint, warum nicht einen Esel zum Begleiter wählen? Und irgendwann stehen Tim und Shinto in Saint-Jean-Pied-de-Port und starten ihren Fußmarsch nach Santiago de Compostela.

Nach Jerusalem und Rom ist Santiago de Compostela das drittbedeutendste Pilgerziel. In Deutschland wurde die Strecke vermutlich vor allem durch Hape Kerkelings Ich bin dann mal weg populär. Doch nicht nur hier fühlen Menschen sich vom Pilgerweg angezogen. Seit Jahren werden steigende Besucherzahlen gemessen. Dabei sind wohl die wenigsten von ihnen tiefgläubig. Es gibt weitaus mehr Gründe, sich auf den achthundert Kilometer langen Weg zu machen. Manche wollen z.B. Zeit für sich, ihrem Alltag entfliehen, eine Herausforderung meistern oder sich über etwas klar werden.

Reiseberichte über den Jakobswege gibt es inzwischen gefühlt ebenso viele wie Steine auf dem selbigen. Was unterscheidet Tim Moores von allen anderen?

Einerseits ist er nicht wie die meisten allein oder mit dem Drahtesel unterwegs, sondern mit einem echten Grautier. Shinto ist störrisch, eigensinnig und manchmal peinlich, was seinem menschlichen Begleiter viel abverlangt. Andererseits muss der Esel Außergewöhnliches leisten. Welcher seiner Artgenossen läuft schon achthundert Kilometer am Stück? Beide müssen sich als Team finden (zusammenraufen trifft es im wahrsten Sinne des Wortes besser) und mit den Widrigkeiten des Pilgerwegs klarkommen. Es gibt unzählige Herausforderungen, aber auch positive Erlebnisse. Der Untertitel ist etwas irreführend, denn es scheint weniger die aufkommende Liebe zu Spanien durch als zu dieser Art von Reise. Dafür sprechen auch die weiteren Publikationen des Autors.
Andererseits beschreibt Tim Moore das alles mit einer großen Prise britischen Humors. Lautes Loslachen ist hier keine seltene Reaktion auf das geschriebene Wort! Während man etwas über Moores Vorbereitungen und die individuellen Aspekte seiner Reise, die Geschichte des Pilgerwegs, seine Härten und Besonderheiten liest, wird man zusätzlich aufs Beste unterhalten. Und so ist Zwei Esel auf dem Jakobsweg nicht nur aufgrund der Seitenzahl von 363 ein sehr kurzweiliges Vergnügen.

Ein Buch über den Jakobsweg, in dem es Anspielungen auf Das Leben des Brian und einen Esel, der sich durch We are the Champions motivieren lässt, gibt, kann ja eigentlich nur gut sein. Zwei Esel auf dem Jakobsweg verifiziert diese These. Damit ist es nicht nur geeignet für echte oder potenzielle Pilger, sondern auch für Menschen, die generell unterhaltsame Reiseberichte zu schätzen wissen.

5/5 Schreibmaschinen

5Writer

Tim Moore, Zwei Esel auf dem Jakobsweg – Wie ein Engländer sein Herz an Spanien verlor, Piper 2008.

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