Posy wächst in den Vierzigerjahren im imposanten Herrenhaus Admiral House auf. Als ihr Vater als Kampfpilot zurück in den Kriegseinsatz muss, schickt ihre Mutter Posy zur Großmutter in einen anderen Teil des Landes. Dort erfährt das Mädchen schließlich vom Tod ihres Vaters. Statt nach Admiral House zurückkehren zu dürfen, wird Posy in ein Internat geschickt. Jahrelang sieht sie weder ihr Zuhause noch ihre Mutter wieder.
Fünfzig Jahre später ist Posy Witwe und bewohnt das herrschaftliche Anwesen allein. Die Familie ihres nichtsnutzigen Sohns Sam wohnt im nahen Örtchen und ihr jüngster Sohn Nick kehrt nach zehn Jahren aus Australien zurück. Doch er ist nicht der einzige Rückkehrer. Posys ehemalige Jugendliebe Freddie, der ihre Beziehung einst überstürzt beendet hat, läuft ihr wieder über den Weg. Obwohl die alte Sympathie unverkennbar noch vorhanden ist, scheint er eine seltsame Abneigung gegenüber Admiral House zu hegen.
Wenn man das Buch zum ersten Mal sieht, springt sofort sein Umfang ins Auge. Natürlich hofft man, dass es sich um einen richtigen Schmöker handelt, durch dessen Seiten man wie ein Schmetterling über die Wiese nur so fliegt. Mittels des gefälligen Schreibstils, relativ kurzer Kapitel, häufigen Perspektivwechsels zwischen diversen Personen und eingestreuter Andeutungen (die angesichts des Umfangs erstaunlich selten zu finden sind), gelingt das auch bis zu einem gewissen Maße.
Der Effekt kann jedoch seine Grenzen finden, wenn man realisiert, dass es im Grunde nicht um die Aufdeckung des Geheimnisses geht.
Zum Einen entwickelt sich in keinem Moment eine aktive Spurensuche und das Geheimnis wird letztlich von einer Figur erzählt. Angesichts des Potenzials des Geheimnisses ist das umso enttäuschender.
Zum anderen konzentrieren sich die Rückblicke zwar auf Posy, doch in der Gegenwart nehmen die Handlungsstränge um ihre Söhne samt Anhang den größten Umfang ein. Sie alle haben ihre eigenen Probleme und Geheimnisse, die aber nichts mit der Geschichte ihrer Mutter zu tun haben.
Positiver mag es für Fans kitschiger Liebesgeschichten ausfallen. Sie dürften vermutlich voll auf ihre Kosten kommen. Nicht weniger als sieben verschiedene Paarkonstellationen werden in der Geschichte untergebracht. An Drama, Herzschmerz und Verwicklungen, die sich vorhersehbar entspinnen und auflösen, mangelt es nicht. Die Gespräche zwischen den Liebenden sowie die eingestreuten Sexszenen wirken obendrein wie aus schwülstigen Versatzstücken gezimmert. Als Drehbuchvorlage für eine tägliche Seifenoper würde sich das Ganze hervorragend eignen.
Zwar sind Liebesgeschichten immer Teil des Genres, aber die Kunst ist, den Roman nicht zur schlichten Schmonzette geraten zu lassen. In diesem Fall gelingt das leider nicht.
Die Lesefreude wird ebenfalls dadurch gemindert, dass die gesamte Geschichte sehr raumgreifend und langatmig erzählt ist. Sie kommt daher nur sehr langsam in Fahrt und nimmt viel zu viele Seiten ein. In der Kürze liegt wirklich die Würze. Zudem ist sie mehrheitlich aus Gesprächen konstruiert. Es werden sehr viele geführt und deren Ergebnisse gerne in weiteren Dialogen rekapituliert. Wenn es denn Ergebnisse gibt, denn oft wird auch nur um den heißen Brei herumgeredet. Vorzugsweise beim Essen oder Champagnertrinken. Dementsprechend häufig wird gekocht oder Restaurants und Cafés aufgesucht. Achja, auch Baden ist ein beliebter Zeitvertreib. Das titelgebende Schmetterlingszimmer taucht hingegen überraschend selten auf.
In vielen Bereichen ist die Handlung bis an die Vorhersehbarkeit lebensnah, in anderen alles andere als glaubwürdig. Dass Posy in fünfzig Jahren nie etwas über die geheimnisvollen Geschehnisse rund um Admiral House erfahren haben soll, gehört dazu.
Über die weniger gelungenen Aspekte des Romans kann vielleicht hinwegsehen werden und dennoch ein vergnügliches Lesevergnügen entstehen. Manche der Denkweisen, die unterschwellig eingestreut werden, sind jedoch nicht zeitgemäß und machen ärgerlich. Das trifft in erster Linie auf Kommentare zum Alter und hier vor allem auf ältere Frauen zu.
Ein paar Beispiele:
Posy bezeichnet sich selbst als „dumme alte Frau“. Verbietet sich wegen ihres Alters zu Träumen oder auffälligen Lippenstift zu tragen. Außerdem findet sie es ungerecht, dass eine junge Frau krank ist, während sie mit fast siebzig gesund und munter ist. Das klingt, als denke sie, in ihrem Alter hätte man seine Zeit schon weit überschritten und es wäre fast ungehörig noch zu leben. Es ist in diesem Weltbild nur logisch, dass auch die Angst, als „alte Jungfer“ zu enden, geschürt wird. Nichts wäre für eine Riley-Heldin schlimmer als unbemannt zu bleiben, denn dann würde sie ja zwangsläufig wunderlich werden. „Außerdem hatte Nick, was ihm fast am besten gefiel, nicht einmal eine Andeutung der üblichen Neurosen entdeckt, die fast alle alleinstehenden Frauen in seinem Bekanntenkreis hatten.“ Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass er selbst viele Jahre Single ist.
Doch zumindest in der Altersfrage herrscht bei Riley Gleichberechtigung. „Tammy musterte Sam und fand, dass das Alter weniger freundlich zu ihm war als zu Nick.“ Die Brüder sind übrigens Mitte bis Ende Dreißig. Offenbar setzt „das Alter“ für Frau Riley sehr früh ein.
Außerdem wird ständig betont, wie hübsch die Frauen aussehen und Komplimente hierfür verteilt. Aussehen ist für Riley offensichtlich viel wichtiger als klug, charmant oder witzig zu sein.
Man möchte allen LeserInnen zurufen: „Lasst Euch nichts einreden! Lebt das Leben wie ihr es wollt. Ungeachtet von Aussehen, Alter oder Beziehungsstatus!“
Die Aufmachung des Buches ist sehr schön gestaltet, da Zeichnungen von Schmetterlingen und ihre Bezeichnung den historischen Abschnitten vorangestellt sind. Leider haben sie außer zum schmetterlingsammelnden Vater keinen starken Bezug zum Inhalt.
Hätte sich die irische Autorin nicht zuvor schon eine gewisse Anhängerschaft erschrieben, hätte das zuständige Lektorat den Rotstift bei ihrem neuen Werk sicher stärker walten lassen. Einer Debütautorin hätte man diese Weitschweifigkeit sicher nicht durchgehen lassen.
Riley verwendet das Geheimnis um Das Schmetterlingszimmer lediglich als Vehikel um die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander und zu ihren Partnern zu erzählen. Herausgekommen sind klischeebeladene Liebesgeschichten mit unnötiger Geheimniskrämerei und altmodischen Sichtweisen. Daher erhält der Roman zwei Schreibmaschinen.
2/5 Schreibmaschinen
Ein großes Dankeschön an den Verlag Goldmann und das Bloggerportal, die ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Die Rezension reflektiert natürlich nichtsdestotrotz voll und ganz meine eigene Meinung.
Lucinda Riley, Das Schmetterlingszimmer, Goldmann-Verlag 2019.