[Serienkritik] The Stranger (OV)

Stranger

In der Stadt geht eine Fremde (Hannah John-Kamen) um und offenbart Menschen, dass sie ihre Geheimnisse oder die ihrer Verwandten kennt. Adam Price (Richard Armitage) erfährt so, dass seine Frau Corinne (Dervla Kirwan) ihre Schwangerschaft und Fehlgeburt vor einigen Jahren vorgetäuscht hat und seine Söhne ebenfalls nicht von ihm sein könnten. Als Adam Corinne zur Rede stellt, gibt sie es zu, erklärt aber, es verberge sich mehr dahinter als die damals drohende Trennung abzuwenden. Kurz darauf verschwindet sie spurlos und Adam begibt sich auf eine verzweifelte Suche.
Auch Adams Sohn hat ein Geheimnis. Er und seine Freunde waren nachts heimlich auf einer Party. Am nächsten Morgen wird in der Nähe ein schwerverletzter nackter Junge aufgefunden. Zeitgleich entdecken Passanten in der Innenstadt ein geköpftes Lama. Detektive Johanna Griffin (Siobhan Finneran), die den Fall des verletzten Jungen untersucht, ahnt, es könne einen Zusammenhang geben.

Die Zuschauer begleiten Adam Price bei seinen Nachforschungen und teilen seinen Wissenstand. Obwohl seine Suche den Kern bildet, wechselt der Fokus immer wieder zu anderen Figuren. Sie sind miteinander verwandt, Nachbarn, Freunde, Kollegen oder Mitschüler. Die Handlung bewegt sich also in einem begrenzten sozialen Umfeld. Jeder trägt kleine oder große Geheimnisse mit sich, in die der Zuschauer mehr und mehr eingeweiht wird, deren endgültige Auflösungen aber bis zum Schluss warten muss. Die Salami-Taktik ist geschickt umgesetzt. Es gibt zwischendurch immer wieder neue Geheimnisse, kleine Überraschungsmomente, so dass man bis zum Schluss am Haken bleibt. Irgendwann fühlt man sich zwar ein bisschen von der wenig subtilen, treibenden Musik, die große Spannung mehr suggeriert als sie zu untermalen, genervt, aber darüber lässt sich hinwegsehen. Man möchte einfach wissen, wie sich die einzelnen Knäule auflösen und wie sie untereinander zusammenhängen könnten.
Und genau an dieser Stelle versagt die Serie unglücklicherweise völlig. Die Vorgänge werden die ganze Zeit viel mysteriöser dargestellt als sie letztlich sind. Ihre Auflösung gestaltet sich stattdessen entweder sehr konventionell und damit vorhersehbar oder schlicht unlogisch. Das ist wirklich sehr schade, weil es die Kniffe, Finten und Spekulationen, die zuvor effektiv genutzt wurden, zunichte macht. Es hallen einem Corinnes Worte im Ohr, dass mehr dahintersteckt als Adam glaubt. Nein, es steckt sogar sehr viel weniger dahinter. Nicht nur, aber besonders in diesem Fall fühlt man sich deshalb wirklich für dumm verkauft, was sich auf die gesamte Serie überträgt. Klar, die nebensächlichen Geheimnisse benötigen nicht den großen Paukenschlag, aber doch wenigstens die, die im Zentrum der Handlung stehen. Bezeichnenderweise handelt es sich aber dann doch um einen Nebenschauplatz, der für den größten Überraschungsmoment und psychologische Tiefgang sorgt (Stichwort kranke Mitschülerin bzw. Tochter von Johannas Kollegen). Schlussendlich entsteht unweigerlich der Eindruck, dass man den vielen aufgemachten Baustellen einfach nicht mehr Herr geworden ist. Dass es wichtiger gewesen ist, möglichst viele Geheimnisse unterzubringen, als sie logisch und/oder verblüffend zu erklären.

Nun könnte man versöhnlich anmerken, dass die Serie den Umgang mit persönlichen Daten im Internet kritisiert. Allerdings geschieht das so subtil, dass es kaum auffällt. Eher in der Form, dass sie von Kriminellen genutzt werden können, als dass jeder selbst dafür verantwortlich ist und aufpassen sollte, was er teilt.

Die SchauspielerInnen machen ihre Sache allesamt sehr gut und geben ihren Figuren etwas mehr Tiefe als ihnen das Drehbuch eigentlich zugesteht. Mit Richard Armitage, Dervla Kirwan, Stephen Rea, Jennifers Saunders oder Anthony Head sind bekannte Gesichter dabei, die für die Vermarktung der Serie sicher nicht unerheblich sind, ihr Können aber nicht völlig ausspielen können.

The Stranger ( dt. Titel „Ich schweige für dich„) bietet streckenweise spannende Unterhaltung, scheitert aber krachend an der mangelnden Raffinesse seiner Auflösungen.

6/10 Tickets

6Tickets

Die britische Serie basiert auf einem Roman von Harlan Coben und besteht aus acht Folgen.

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2 Kommentare zu „[Serienkritik] The Stranger (OV)

  1. Ich hatte mir die Serie letztens auch angeschaut und kann Dir nur zustimmen. Zwischendurch immer wieder spannend, ein paar ganz okaye Wendungen und dadurch hatte ich immer noch die Hoffnung, hier eine solide Auflösung zu bekommen. Das war am Ende aber doch schon arg dürftig.

    Gefällt 1 Person

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