Wir müssen reden über Urteile über Filme und Serien

Im Moment beherrscht ein Thema alle Gespräche und Medien, aber man muss auch mal auf andere Gedanken kommen. Deshalb möchte ich mich heute einem Thema widmen, das mir in den letzten Wochen öfter über den Weg gelaufen ist und mich grübeln ließ.

Alles begann damit, dass ich zufällig einen Tweet las, in dem jemand nach persönlichen guilty-pleasure-Filmen fragte. Sie selbst entschied sich für Stolz und Vorurteil. Nun gehört sowohl der Roman als auch die BBC-Miniserie zu meinen Lieblingen. Ich habe die Geschichte um Elizabeth Bennet und ihre Schwestern nie als „guilty pleasure“ wahrgenommen, so dass ich doch sehr verblüfft über die Aussage war. Die Schreiberin gab keine Begründung ab, bezog sich auch auf keine bestimmte Adaption, so dass ich annehme, sie meint die Handlung selbst. Ich grübelte, was daran fragwürdig sein könnte. Dass Mrs. Bennet ihre Töchter ihren Vorstellungen gemäß bestmöglich verheiraten möchte? Dass Mr. Bennets Erbe nicht an seine Töchter übergehen kann? Dass Mr. Darcy Elizabeth lange die kalte Schulter zu zeigen scheint? Ist der Film extrem kitschig? Ich weiß es einfach nicht!! Bin ich blind oder zu blöd, um an der Geschichte und wie sie geschrieben ist (wunderbar ironisch wie ich finde)  Fragwürdiges erkennen zu können?! Bisher glaubte ich, einen guten Radar dafür zu haben. Falls Ihr eine Ahnung habt, bitte erhellt mich.

Wenig später las ich eine Kritik zu Carnival Row. Dieser Verfasser beklagte, dass sich die Serie zu sehr an unserer Gegenwart orientieren würde. Als eines der Beispiel nannte er die Zentauren, die er stellvertretend für die Moslems sah. Wieder war ich perplex und fragte mich, ob der Schreiber und ich zwei unterschiedliche Serien gesehen haben oder mir etwas verborgen geblieben war. Wie kann sich etwas an unserer Gegenwart orientieren, wenn es Themen aufgreift, die die menschliche Gesellschaft von jeher beschäftigt haben. Zum Beispiel das Zusammenleben unterschiedlicher Individuen in einer Gesellschaft, Ausgrenzung, Fanatismus, Krieg, Frieden etc. Ja, es behandelt gegenwärtig relevante Themen, aber sie sind für jede Zeit und Gesellschaften relevant gewesen.
Der Schreiber unterstellte weiter, dass Carnival Row „Propaganda“ sei. Das hieße einerseits, dass die Macher eine bestimmte Haltung einnehmen. Dagegen ist für mich grundsätzlich nichts einzuwenden. Ist es schlimm, als Medienmacher eine klare Haltung gegen Rassismus o.ä. zu haben und in seinen Werken zu vermitteln? Für mich nicht, solange das nicht im Vordergrund steht und als oberstes Ziel verfolgt wird. Schätzungsweise fließen die Einstellungen der Macher immer unterschwellig in ihre Werke ein. Kein Werk entsteht außerhalb eines Wertesystems.  Andererseits würde „Propaganda“ aber viel mehr bedeuten. Nämlich, dass die Macher ihre Zuschauer gezielt manipulieren wollen, eine bestimmte Haltung zu übernehmen. Ich für meinen Teil habe in der Serie nichts dergleichen wahrgenommen. Irre ich mich oder interpretiert der Verfasser der Kritik etwas in sie hinein, das gar nicht vorhanden sind?

Dann, vor ein paar Wochen, behauptete wiederum jemand in einem Tweet, dass Titanic (ja, der Schinken von James Cameron) einer der frauenfeindlichsten Filme überhaupt sei. Wieder erschloss sich mir diese Meinung nicht. Ich habe ihn ja zugegebener Maßen nur ein Mal im Kino gesehen, aber ich kann mich nicht erinnern, danach diese Feststellung getroffen zu haben. Wie gesagt, ich glaube eigentlich, sensibel für so etwas zu sein. Was könnte denn daran als frauenfeindlich wahrgenommen werden? Dass Rose schlecht von ihrem Verlobten behandelt wird? Dass Jack sie nackt malt? Ich weiß es nicht!!

Da ich die Meinungen der drei unterschiedlichen Verfasser nicht teile, ja nicht einmal wirklich nachvollziehen kann, wie sie zu ihren Schlüssen kommen, stellen sich mir verschiedene Fragen. Haben Sie mit ihren Einschätzungen recht oder interpretieren Sie in die Serien und Filme etwas hinein, das nicht da ist? Setzen Sie Handlung und Aussage eines Films oder einer Serie gleich? Ich glaube fast, dass es so ist, aber ein Film über Sklavenhandel übernimmt doch nicht zwangsläufig die Perspektive der Sklavenhändler. Gerade wenn es um historische Stoffe geht, dann herrschten zu unterschiedlichen Zeiten eben unterschiedliche Herrschaftsformen, Gesellschaftsmodelle, Geschlechterrollen, Hierarchien. Das heißt doch nicht, dass die Serien, Filme und Bücher, die sich damit beschäftigen, die entsprechenden Einstellungen gutheißen.

Also, wie Ihr seht, bin ich etwas verwirrt und überrascht, wie manche Menschen Filme oder Serien beurteilen. Es gibt bestimmt ähnliche Kommentare über Bücher. Denkt Ihr auch, dass diese Leute zu viel in die genannten Werke hinein interpretieren oder seht Ihr es ähnlich wie sie? Ist ihre Haltung vielleicht Spiegelbild einer Gesellschaft, die sensibler auf bestimmte Inhalte reagiert oder doch eher überempfindlich?

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14 Kommentare zu „Wir müssen reden über Urteile über Filme und Serien

  1. Ich finde es grundsätzlich gut, dass unsere Gesellschaft für bestimmte Themen sensibler geworden ist. Allerdings finde ich Stolz und Vorurteil eher als Ausbruch gegen die gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit und somit kein Guilty Pleasure.
    Auch Titanic empfinde ich nicht als frauenfeindlich. Carnival Row hab ich nicht gesehen.

    Ich finde es eher bedenklich, dass Romane, wie 50 shades of grey, in unserer Gesellschaft noch so abgefeiert werden, in der es nachweislich Szenen der Vergewaltigung und häuslichen Gewalt gibt (Szenen in denen Ana nicht ihre Zustimmung zu folgenden Handlungen gibt und Mr. Grey ihr einredet, dass sie es doch auch will). Im Nachfolgewerk der Autorin soll es auch nachweislich rassistische Tendenzen geben (hier habe ich aber lediglich ein paar Kritiken gelesen). Das sowas Welterfolge feiert, finde ich bedenklich. Das sich Lektoren darüber veschweren, dass die Grenze zwischen bad boy und Vergewaltiger immer mehr verwischt, finde ich bedenklich.

    Das eine Serie sich an historische Bedingungen orientiert oder Zustände kritisch hinterfragt, finde ich gut bis erstrebenswert.

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    1. Ich kenne 50 Shades of Grey zwar weder als Film noch als Buch, aber was ich darüber gelesen habe, bestätigt definitiv was Du sagst und ich finde es auch sehr merkwürdig, dass so etwas als Romantisch oder erotisch gefeiert wird. Da fehlt dann wieder der kritische Geist, der woanders vielleicht zu viel vorhanden ist. Kürzlich wurden Veganer in einer Filmlritik davor gewarnt, dass Tiere in Käfigen zu sehen wären (eine Katze wurde von Tierschützern eingefangen) und Krabbencocktails gezeigt würden. Das finde ich schon etwas übertrieben, weil es in der Welt nun einmal diese Bilder gibt und es auch nicht so gewesen wäre, dass sehr lange Bilder und Szenen zu sehen gewesen wären. Der Film handelte nicht davon. Grundsätzlich gebe ich Dir natürlich Recht, dass sensiblerer Umgang mit Themen wichtig und gut ist. Es sollte halt nicht so absolute Einordnungen in Schwarz und Weiß hervorrufen.

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      1. Also Veganer vor solchen Inhalten zu warnen, finde ich dann auch stark übertrieben. Ich unterstütze jeden, der aus guten Gründen Vegetarier/Veganer werden möchte/ist. Aber deswegen kann man sich ja trotzdem die Filme angucken, da sie ja immer noch unsere Gesellschaft wiederspiegeln. Da geht ja kein Veganer völlig fertig aus dem Kino, weil da jemand einen Krabbencocktail gegessen hat.

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  2. Ich glaube, ich habe schon mal gesagt, dass ich deiner Meinung bin. Unter dem Vorwand des Feminismus historische Gegebenheiten zu verschleiern oder zu negieren, ist in meinen Augen Unsinn. Und hinsichtlich Carnival Row sehe ich das auch wie du.

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  3. Interessantes Thema…prinzipiell muss man ja sagen, dass Wahrnehmung und darauf aufbauende Bewertung von künstlerischen Werken immer etwas sehr Subjektives ist, das immer auch geprägt ist von den eigenen Erfahrungen, Werten und Gedanken. Weswegen ich es nicht verwunderlich finde, dass zwei Menschen auch mal völlig unterschiedliche Sachen in einen Film rein interpretieren können, gute Filme bieten ja doch oft auch die Möglichkeit dazu, da sie versuchen Dinge differenzierter darzustellen. Allerdings muss man auch sagen, dass auch ich immer öfter das Gefühl habe, dass es viele Menschen gibt, die anfangen ihre persönlichen Agenden in jedes Werk, das sie konsumieren mit hinein zu transportieren, wodurch dann auf einmal jede dargestellt Liebesbeziehung als sexistisch oder jeder Actionfilm als gewaltverherrlichend abgetan wird. So etwas lässt sich zwar nicht verhindern, aber meist gebe ich dann auf solche Bewertungen, wo die dahinterstehende Agenda sehr offensichtlich ist, nicht allzu viel und hake das Ganze einfach mit einem Schulterzucken ab. Genauso ging es mir übrigens auch vor Kurzem mit dem Film „Leon – Der Profi“, da habe ich einige Stimme wahrgenommen, die meinten, der würde Pädophilie darstellen und beschönigen, eine Ansicht, die ich absolut nicht teile weil ich dafür keine Anzeichen im Film erkennen kann…aber da es sich um einen Erwachsenen und eine Jugendliche dreht, kann das offenbar für manche nur pervers und verdächtig sein.

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    1. Das ist genau das, was ich meine. Künstlerische Werke lassen selbstverständlich verschiedene Sichtweisen zu und manche/r ZuschauerIn nimmt bestimmte Aspekte stärker wahr als andere, abhängig von seiner eigenen Biografie. Mein Punkt ist aber vielmehr, dass dann so absolute Urteile über einen Film gesprochen werden und gar nicht bewusst ist, dass es verschiedene Meinungen geben darf. Die Dame wies den „Titanic“-Schreiber stark spüren, dass er sich mal darüber hätte Gedanken machen müssen, dass der Film angeblich frauenfeindlich ist. Aber ich denke, diese Absolutheit der Meinungen ist ein echtes Problem unserer Zeit. Es gibt keine Diskussion mehr, in der Menschen offen sind, sich von guten Gegenargumenten überzeugen zu lassen. Stattdessen wollen sie nur noch ihre eigenen durchdrücken.

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      1. Das stimmt, Engstirnigkeit vor allem in der Diskussionskultur ist schon wirklich ein sehr großes und bedauernswertes Problem und Verbissenheit bis hin zum Fanatismus natürlich sowieso…aber ich glaube nicht, dass das ein Phänomen unserer Zeit ist, sondern etwas, dass die Menschheit seit jeher begleitet, dafür gibt es leider sehr viele Beispiele in der Geschichte, die im Endeffekt immer wieder darauf zurückgeführt werden können, dass eine Gruppe ihre Vorstellungen und Sichtweisen als die einzig richtigen und zulässigen sieht.

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