Unglückliche Liebe, Hass, Krieg und Vertreibung und trotzdem ist es so schön

Als die Freilichtbühne Tecklenburg ankündigte, 2019 Doktor Schiwago in den Spielplan aufzunehmen, war ich zuerst skeptisch. Einerseits fragte ich mich, wie sich ein Stück, das im winterlichen Russland angesiedelt ist, sich auf eine hochsommerliche Freiluftbühne transferieren lassen würde. Andererseits erinnerte ich mich an diverse Kritiken zur Leipziger Inszenierung, die nach meinem Eindruck mehrheitlich wenig begeistert ausgefallen waren. Weniger wegen der Aufführung selbst, sondern wegen des Musicals an und für sich. 

Nichtsdestotrotz kauften wir (natürlich) Karten, denn
a) waren wir im letzten Jahr so vom Gesamterlebnis begeistert, dass wir uns geschworen haben, der Bühne nun jedes Jahr einen Besuch abzustatten,
b) meine Mutter ein Fan des Klassikers mit Omar Sharif und Julie Christie ist. Nachdem sie ihn damals im Kino gesehen hat, hätte ich fast den Namen Larissa verpasst bekommen. Vor ein oder zwei Jahren haben wir außerdem den Film das letzte Mal im Fernsehen gesehen. Selbst wenn die Musik kein Überflieger sein würde,
wäre die Geschichte trotzdem den Besuch wert .
Eine Woche bevor wir uns aufmachten, fand die Premiere statt und natürlich las ich die entsprechenden Zeitungsberichte. Die fielen ziemlich euphorisch aus, so dass sie meine ohnehin vorhandene Vorfreude steigerte und ich dem Ganzen absolut positiv entgegensah.

Am 4. August machten wir uns also auf den Weg. Der Tag war recht warm und sonnig, aber keinesfalls so heiß wie bei der Premiere, als das Thermometer laut Berichten auf über dreißig Grad geklettert war. Perfektes Wetter für einen Abend an der frischen Luft.

Wer gerne eine Beschreibung des hübschen kleinen Tecklenburgs und des Weges zu und von der Aufführungsort lesen möchte, kann gerne meinen letztjährigen Bericht aufsuchen, in dem ich ein bisschen mehr das Gesamterlebnis beleuchte. Nur soviel: Ein Besuch ist immer wie ein Kurzurlaub, ein Ausflug an einen idyllischen Ort oberhalb des Rheins (nur ohne Rhein oder ein anderes Gewässer 😉 ).

Inhalt:

Die Handlung ist sehr umfangreich, weshalb sie hier nur grob wiedergegeben werden soll.

Wie der Titel vermuten lässt, steht Jurij Schiwago im Zentrum. Der Arzt und Dichter ist zwischen der Liebe zu seiner Jugendfreundin und Ehefrau Tonia und Larissa, seiner Geliebten, hin- und hergerissen. Lara ist wiederum mit dem Revolutionär und späteren Partisanen Pascha Antipov/Strelnikow verheiratet. Außerdem gibt es noch den Anwalt Viktor Komarovskij, der Jurijs Vater in den Ruin getrieben und Lara zu einer sexuellen Beziehung genötigt hat. Der Beziehungsreigen entfaltet sich vor dem Hintergrund des zaristischen Russlands, des Ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution, führt von Moskau aufs Land, von der Front in die Wälder zu den Partisanen.

Für seinen einzigen Roman erhielt Boris Pasternak 1958 den Literatur-Nobelpreis. Damit er überhaupt veröffentlicht werden konnte, musste er nach Mailand geschmuggelt werden, denn die Sowjetunion fühlte sich von Pasternaks politischer Einstellung bedroht. 1965 wurde das Werk von David Lean verfilmt und gewann fünf Oscars. Weiterlesen?

Die Elenden sind gar nicht jämmerlich

LesMis

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich ein bisschen ausholen.

Ich bin Musical-Fan. Allerdings keiner, der MusicaldarstellerInnen beim Vornamen kennt oder von Ort zu Ort tingelt, um möglichst viele Musicalaufführungen abhaken zu können. Stattdessen habe ich vielen Musicals gegenüber sogar Vorbehalte.
Obwohl ich Der König der Löwen durchaus mochte, gehört es nicht zu meinen favorisierten Vertretern. Allen übrigen Disney-Produktionen bringe ich noch sogar eine gehörige Portion Skepsis entgegen, schon allein, weil mich die zugrundeliegenden Filme kaltlassen. Auch all die Musicals, die Mamma Mia! nachfolgten und das Repertoire verschiedener Künstler von Udo Jürgens bis Wolfgang Petry verhackstückeln, interessieren mich nicht. Gleiches gilt für Genrevertreter, die Filme wie Bodyguard, Ghost oder Dirty Dancing adaptieren. Die berühmten Werke von Andrew Lloyd Webber habe ich alle schon in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern in solch ausreichendem Maße gehört, dass es für die nächsten Dekaden ausreicht. Damals fand ich sie toll, heute können sie mich nicht mehr begeistern. Tja, bleibt nicht viel übrig, möchte man meinen. Ist auch irgendwie so, besonders wenn man in Deutschland lebt, wo viele neue Musicals erst Jahre später, wenn überhaupt, ihren Weg auf eine Bühne finden. Mal nebenbei gesagt, würde ich es wirklich fantastisch finden, wenn es in Berlin, Hamburg oder wo auch immer, eine Bühne gäbe, die englische Originalversionen als Gastspiele präsentieren würde. Aber das ist natürlich ein unrealistischer Wunschtraum.

Zurück zum Thema 🙂 und zum Punkt.

Les Misérables gehört zu einem der wenigen Musicals, die mich interessieren, faszinieren und mitreißen. Wie es dazu kam? Weiterlesen?