Wir müssen reden über Jim and Andy: The Great Beyond (Dokumentarfilm, Netflix)

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1998 übernahm Jim Carrey die Rolle des Komikers Andy Kaufman im preisgekrönten Man on the Moon. Der Film erzählt vom Leben des legendären Komikers, der 1984 an Lungenkrebs starb. Jim Carrey ist ein großer Fan von ihm und dementsprechend wichtig war ihm die Rolle. Später sollte er dafür mit einem Golden Globe belohnt werden. Die Dreharbeiten wurden von Kaufmans Freundin Lynne Margulies filmisch begleitet. Das Ergebnis ihrer Arbeit wurde allerdings bis 2017 nicht veröffentlicht, angeblich weil das Filmstudio den eigenen Star nicht in einem schlechten Licht erscheinen lassen wollte. Der hatte sich nämlich dermaßen von seiner Rolle fortreißen lassen, dass er sie auch abseits der Dreharbeiten nicht ablegte. 2017 nahm sich der Dokumentarfilmer Chris Smith schließlich Margulies‘ Filmmaterials von hundert Stunden an, führte an zwei Tage ein Interview mit Carrey, und schuf die anderthalbstündige Dokumentation Jim and Andy: The Great Beyond.

Bevor ich Man on the Moon und Truman Show gesehen habe, konnte ich Jim Carrey überhaupt nicht leiden. Sein sehr körperlicher Humor gepaart mit einer lebhaften Gesichtsakrobatik waren überhaupt nicht mein Fall. Als ich allerdings Milos Formans Biopic sah, war ich tatsächlich tief beeindruckt. Nicht nur, aber auch von Jim Carrey. In vielen Komikern steckt wohl auch ein dramatischer Schauspieler und in manchen sogar eine tragische Persönlichkeit. Für mich hat der Dokumentarfilm Jim und Andy viele Fragen aufgeworfen. Im Folgenden möchte ich sie näher beleuchten, ohne zu erwarten, Antworten zu finden.

Die Aufnahmen von 1998 zeigen meiner Meinung, dass Jim Carrey sich so sehr in seine Rolle seines Idols stürzte, dass er sich selbst darin verlor. Im Interview erklärt er heute, dass Kaufman und dessen Alter-Ego Tony Clifton während der damaligen Dreharbeiten quasi die Kontrolle über ihn übernommen hätten. Danny De Vito unterstützt die Behauptung, indem er 1998 sagte, dass Jim lediglich an zwei Drehtagen persönlich anwesend gewesen wäre. Man könnte selbst daran glauben, wenn man Jim Carrey während und zwischen den Dreharbeiten beobachtet. Er spricht von sich in der dritten Person, läuft abseits der Takes im Kostüm und Make-up von Andy bzw. Tony herum und agiert wie sie.

Manche mögen sein Gebaren für grandioses Method Acting halten und denken, er habe die historischen Vorbilder bis ins Schmerzhafte ausgereizt. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass Carrey während der Dreharbeiten tatsächlich ernsthafte Probleme hatte und damit alle Beteiligten.

Vielleicht liegt beiden Annahmen ein grundlegend unterschiedliches Verständnis der Schauspielkunst zugrunde?
Ja, es ist es auf gewisse Weise faszinierend, wenn sich jemand so sehr in eine Figur versenken kann, dass er sich selbst vergisst. Für manche mag die totale Hingabe als höchste Kunst gelten, die ein Schauspieler an den Tag legen kann.
Ich hingegen verstehe unter dieser Kunst die Fähigkeit, fremde Charaktere wie Kleidungsstücke überstülpen zu können. Sie gezielt, natürlich und überzeugend aufzugreifen und nach Drehschluss fallenzulassen. Jim Carrey würde ich in diesem Fall jedoch milde gestimmt Realitätsverlust attestieren oder kritisch fast schon als psychotisch bezeichnen. Dass Regisseur Milos Forman und die Crew auf sein Verhalten angesprungen sind, ihn als Andy bzw. Tony ansprachen und behandelt haben, erinnerte mich an die schwedischen Eriksson-Zwillinge. Sie litten an einer sogenannten induzierten wahnhaften Störung. Das heißt,  dass eine oder in seltenen Fällen mehrere Personen den Wahn eines Betroffenen übernehmen. Natürlich bin ich keine Psychiaterin und ich glaube auch nicht, dass jemand von der Crew tatsächlich davon überzeugt war, es mit Kaufman zu tun zu haben. Vielmehr glaube ich, dass sich die Beteiligten auf Carreys Illusion einließen, um die ohnehin schwierigen Umstände nicht noch zu verschlimmern. Allerdings haben sie ihn so auch in seinem Tun bestätigt.

Jim Carrey gibt heute zu, dass es ihm enorm schwerfiel, sich nach den Dreharbeiten wieder von Andy Kaufman zu lösen und zu seiner eigenen Person und seinem Leben zurückzukehren. Spricht das für oder gegen meine Annahme, dass er ein krankhaftes Verhalten an den Tag gelegt hat? Gegen meine These könnte sprechen, dass er sich lösen konnte. (Interessant wäre hier die Frage, ob es tatsächlich eine/n SchauspielerIn gab, der/die nicht mehr aus einer Rolle auftauchen konnte.) Hat er es aber ohne psychologische Hilfe geschafft?
Ob er nun psychotisch war oder die perfekte Illusion erschaffen wollte, auf mich wirkte sein Verhalten und das seiner Umwelt zunehmend verstörend. Wenn er Andy während dessen Krebserkrankung darstellt und sich zwischen den Szenen im Rollstuhl schieben lässt, schwach und gebeugt durch die Gegend schleicht, dann finde ich das nicht nur übertrieben, sondern unerträglich. Aber sogar Andys Familie schien unter dem Eindruck zu stehen, dass sie ihren Verwandten bei den Dreharbeiten trafen. Manche Zuschauer mögen das bewegend finden und auf gewisse Weise ist es das auch. Ich finde es aber in erster Linie strange und  all das weckte einen mehr als schalen Nachgeschmack.

Vielleicht fußte Carreys Verhalten gar nicht auf einem psychischen Problem, sondern auf seinem Wunsch, Fantasie und Realität verschmelzen zu lassen. Möglicherweise war es eine Art Experiment, wie weit er seine Umfeld überzeugen könnte, dass er wirklich A. Kaufman sei. Inwiefern er ähnliche anarchische Umstände und Situationen erschaffen könnte wie Kaufman. So geht er den Wrestler Jerry Lawler immer wieder an, bis der ihm genau wie einst Kaufman eine verpasst und Carrey ins Krankenhaus muss.

Weder Andy Kaufman und noch viel weniger seine Kunstfigur Tony Clifton waren einfache Persönlichkeiten. Nein, sie waren anstrengende Exzentriker. Indem Carrey ihr Verhalten imitierte, drangsalierte und terrorisierte er seine Umgebung. Man kann das nicht beschönigen. Privat ist er vermutlich kein bösartiger Mensch, aber bei den Dreharbeiten absorbiert er Kaufmans und Cliftons Verhalten so sehr, dass es wirklich unangenehm ist, ihm dabei zuzusehen.
Bei mir hat das eine Archillesferse getroffen. Ich kann es nämlich überhaupt nicht ausstehen, wenn ein Einzelner oder eine kleine Gruppe andere Menschen dominiert und unterdrückt. Die Gründe spielen dafür keine Rolle. Es löst bei mir richtiggehend körperliches Unbehagen und Wut aus. Damit hat mich schon Whiplash auf die Palme gebracht und auch Jim und Andy konnte ich mir nur unter „Qualen“ ansehen. Wenn jemand aus dem Nichts andere anschreit, ihnen Getränken entgegenschleudert, also seine Launen ohne Rücksicht auslebt, dann macht mich das mehr als sauer.  Noch mehr ärgert es mich, wenn niemand dieser Person entgegentritt und ihr das eigene Verhalten spiegelt. Wenn niemand sagt: „Bis hierhin und nicht weiter. Krieg dich wieder ein. Wir machen das nicht mit.“
Verständlich, dass Milos Forman sein Millionenprojekt nicht riskieren wollte, indem er seinen Hauptdarsteller verprellt. Andererseits ist es doch wohl die Aufgabe eines Regisseurs ein angenehmes und produktives Arbeitsklima für alle Beteiligten zu schaffen. Dazu gehört meiner Meinung nach auch, Egotrips, die andere negativ beeinflussen, zu verhindern. Man sieht ihm an, dass Carreys Verhalten ihn genervt und erschöpft hat. Den übrigen Beteiligten ging es ebenso. Sie waren ausgelaugt und ratlos. Gab es vielleicht sogar Konfrontationen, aber der Dokumentarfilmer hat sich dagegen entschieden, sie zu zeigen? Dagegen spricht jedoch, dass der Zwist mit Jerry Lawler in alle Bandbreite dargestellt wurde.
Carrey scheint mit seinem damaligen Verhalten heute nicht mehr rundweg einverstanden zu sein. Allerdings führt er an, dass alle Beteiligten ihn zum Abschluss mit einer Papiertüte auf dem Kopf verabschiedeten. Diese trug er selbst häufig während der Dreharbeiten, ganz im Stil von Kaufman. Für ihn ist das offenbar Beweis genug, dass die Crew die Erfahrung mit ihm durchaus zu schätzen wussten. Ich hingegen glaube, dass es  ein Zeichen der Erleichterung gewesen sein könnte sowie der Versuch, das Projekt positiv zu beenden. Gerne hätte ich nicht nur zufällige Äußerungen der übrigen Crewmitglieder von damals mitbekommen, sondern erfahren, wie sie auf gezielte Fragen zu ihren damaligen Eindrücken und Empfindungen geantwortet hätten.

Über allem schwebt die unausgesprochene Frage, wie weit Kunst gehen darf. „Kunst darf alles.“ ist das Schlagwort und so lange alle damit einverstanden sind, ist das auch okay. Bei mir bleibt aber das Gefühl, dass Jim Carrey seine Position ausgenutzt und es zu weit getrieben hat. Mir blieb das Lachen im Hals stecken, aber vielleicht wollte Carrey genau das bei seinem damaligen Umfeld erreichen. In seinem Interview lässt er tief in seine Seele blicken. Der Künstler wirkt durchaus sympathisch, sensibel und wie ein gereifter Mann, der sein Verhalten sehr offen und kritisch reflektiert. Ob er das 1998 ebenfalls konnte und tatsächlich gemacht hat, sei jedoch dahingestellt.

[Filmkritik] Die Frau des Zoodirektors

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Antonina (Jessica Chastain) und ihr Mann Jan Zabinski (Johan Heldenbergh) leiten den Zoo in Warschau, als die Deutschen in die polnische Hauptstadt einmarschieren. Nachdem ihre Tiere entweder getötet oder nach Deutschland gebracht worden sind, züchten sie Schweine für die Besetzer. Doch das ist nur die Tarnung, um den jüdischen Ghettobewohnern zu helfen. Über dreihundert Menschen werden sie im Laufe der Zeit retten. Weiterlesen?

[Rezension] Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen

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Tao arbeitet auf einer Obstplantage. Tagein tagaus klettert sie in den Bäumen herum und bestäubt die Blüten von Hand. Es ist eine sehr anstrengende Arbeit. Selten haben die Arbeiter einen freien Tag. Doch seit die Bienen verschwunden sind, existiert keine andere Möglichkeit, um Ernten einbringen zu können.

George besitzt mehrere Bienenvölker. Er hofft, dass sein Sohn Tom einmal den Betrieb übernehmen wird, doch der möchte Journalist werden. In die Sorge um seine Nachfolge mischt sich die Nachricht, dass eine Krankheit die Bienen bedroht. Tatsächlich bleiben seine Völker nicht verschont.

Ursprünglich hat William Biologie studiert und sein Professor setzte große Hoffnungen in ihn. Doch dann heiratete er und ein Kind nach dem anderen wurde geboren. William gab seinen Traum auf und verdiente den Unterhalt als Saatguthändler. Als sein Professor ihm das vor Augen führt, stürzt William in eine tiefe Depression. Erst die Beschäftigung mit den Bienen hilft ihm, sich daraus zu befreien und voller Zuversicht in die Zukunft zu sehen. Doch auch dieser Weg birgt Rückschläge. Weiterlesen?

[Rezension] Margaret Atwood: Der Report der Magd

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Gilead ist ein totalitärer und christlich-fundamentalistischer Staat, der nach einem Putsch und dem Zusammenbruch der Regierung, auf dem Gebiet der USA errichtet wurde. Mit dem Sturz der USA fiel auch die Gesellschaftsordnung. Die neue basiert vor allem auf der Entrechtung der Frauen. Sie dürfen kein eigenständiges Leben führen, verfügen über kein eigenes Geld, dürfen nicht lesen und müssen bestimmte Kleidung tragen, die ihre Funktion und Bedeutung innerhalb der Gesellschaft zeigen. Ihr Wert wird in erster Linie über ihre Fruchtbarkeit definiert, denn nach einer Reihe von Umweltkatastrophen ist die zum kostbarsten Gut für Gilead geworden. Sogenannte Mägde müssen hochrangigen Funktionären und ihren Frauen als Leihmütter dienen. Eine von ihnen ist Desfred, die dem Commanders und seiner Frau Serena Joy zugeteilt wurde. Desfred ist nicht ihr richtiger Name, denn eine Magd wird nach dem Mann benannt, dem sie dient. Ein Mal im Monat versucht der sie im Rahmen einer vorgegebenen Zeremonie zu schwängern. Ansonsten darf sie nicht viel mehr tun, als Einkäufe zu erledigen. Doch sie tut mehr. Sie erzählt uns ihre Geschichte. Weiterlesen?

[Rezension] Richard Marbel: Die Jesus-Welle

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Nachdem Michael seine große Liebe Marcia durch einen Unfall verlor, trauert er. Aus dem Physiker wurde ein Priester. Von der Universität wechselte er in ein kleines italienisches Dorf, wo er der Kirchengemeinde vorsteht und dem Alkohol zuspricht. Dreißig Jahre nach dem tragischen Ereignis sucht ein alter Freund Kontakt zu ihm. Der ehemalige Professor und jetzige Medienmogul Carl Steinberg möchte, dass Michael an einer außergewöhnlichen Expedition teilnimmt. Zusammen mit der rebellischen Lucy, dem Neuropsychologen Stuart und dem Sicherheitsfachmann Pierre soll er die Quantenwelt, auch als Jenseits bekannt, besuchen.
Weiterlesen?

[Filmkritik] Madame

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Das wohlhabende amerikanische Paar Anne (Toni Colett) und Bob (Harvey Keitel) haben eine Dinnerparty mit einflussreichen Freunden geplant. Als Bobs Sohn Steven (Tom Hughes) aus erster Ehe unerwartet aufkreuzt und zum dreizehnten Gast wird, meint Anne das bringe Unglück. Da keine Zeit bleibt, noch jemanden einzuladen, muss die Hausangestellte Maria (Rossy de Palma) an der Tafel platznehmen. Obwohl sie nicht möchte, gehorcht sie. Ihr Sitznachbar, der britische Kunstexperte David Morgan (Michael Smiley) wirft ein Auge auf sie und erkundigt sich bei Steven, wer sie sei. Steven erzählt ihm, Maria sei eine spanische Prinzessin. Fortan wirbt David um Maria, die sich nach kurzem Zögern auf die Avancen einlässt. Als Anne von der Liason Wind bekommt, ist sie alles andere als erfreut. So schnell wie möglich will sie dem romantischen Treiben ein Ende setzen. Doch Bob hat Gründe, seine Ehefrau davon abhalten zu wollen. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf.

Der Trailer suggeriert eine freche Komödie mit einem Hauch französischem Flair und ein paar Spritzern Gesellschaftskritik.

Tatsächlich ist Madame weitaus weniger frech und pointiert als erhofft und vermutlich beabsichtigt. Stattdessen kann sich der Film nicht entscheiden, welchem Weg er folgen möchte. Soll der gegenseitige Standesdünkel der Menschen aufs Korn genommen werden? Sollen die diversen Liebeswirren im Fokus stehen? Die Oberflächlichkeit und Arroganz der Bourgoisie? Die allgemeine Diskrepanz zwischen realen Lebensumständen und Sehnsüchten? Oder ganz simpel die unterschiedlichen Formen und Entwicklungen von Beziehungen?

Die Handlungsstränge sind vielfältig und abwechslungsreich. Allerdings zerfasert sich die Handlung in zu viele Bestandteile, von denen sich nie bestimmen lässt, ob sie haupt- oder nebensächlich sind. Ständig fragt man sich, welcher tiefere Sinn oder welche Funktion mit dieser oder jener Szene eigentlich verbunden sein sollen. Viel zu oft bleibt das ungute Gefühl, dass die Antwort vermutlich „keine/r“ lautet. Für sich betrachtet, besitzen sie durchaus Situationskomik und Doppelbödigkeit. Allerdings bleiben die komischen Szenen zum einen erstaunlich brav. Die Dialoge hätten weitaus bissiger ausfallen können. Sie hätten Humor und Gesellschaftskritik verbinden können und dem Geschehen vielmehr Tiefe verleihen können. Zum anderen ergeben die Handlungselemente kein stimmiges Gesamtbild. Zu viele Fragen führen ins augenscheinliche Nichts. Irgendwann gibt man auf, den tieferen Sinn nachvollziehen zu . So bleibt ein Gefühl der Ratlosigkeit und Unzufriedenheit zurück. Das trübt den Gesamteindruck doch sehr, so dass die teilweise vergnügt zugebrachten Minuten dahinter zurücktreten.

In Bezug auf die Besetzung kann nur von hochkarätig gesprochen werden. Jeder Einzelne tut sein Möglichstes, um das Beste aus dem ihr zur Verfügungstehenden herauszuholen. Die einzelnen Rollen sind durchaus interessant und mehrschichtig angelegt. So ist Sohn Steven ist bei seinen Geschwistern und Maria sehr beliebt und ein vielversprechender Autor, säuft jedoch und überschreitet dann die Grenzen des guten Benehmens. Hausherrin Anne ist überaus kapriziös und zickig, verbirgt dahinter aber Unsicherheiten und Sehnsüchte. Wie es der Titel verspricht, bestreitet Anne die meisten Szenen. Ihr Charakter wird am stärksten ausgelotet und Toni Colette spielt alle Facetten mit sichtlicher Spielfreude und Hang zur Übertreibung, ohne Anne unglaubwürdig oder lächerlich zu machen. Allerdings suggerieren Filmplakat und Trailer, dass eher Maria im Fokus der Geschichte stehe. Die Erwartung wird aber enttäuscht.

In allen anderen Fällen werden die Schichten der jeweiligen Figur nur angedeutet. Man weiß zwar woher sie kommen, erhält aber keine Vorstellung davon, wohin sie wollen und was ihre tiefliegenden Wünsche sind. Andeutungen sind alles, worin sich der Film verliert. Das ist besonders schade in Bezug auf Rossy de Palma. Sie ist eine so ausdrucksstarke Schauspielerin und man hätte ihr so sehr gewünscht, Szenen spielen zu dürfen, in denen sich Marias anfängliche Unsicherheit auflöst und sie „dem Affen Zucker“ gibt. Man wartet förmlich auf den Moment, in dem sie mit der Faust auf den Tisch haut und es allen zeigt. Statt sie zu Annes Gegenspielerin aufzubauen, wird sie gezwungen an der Oberfläche zu agieren. Sehnsüchte und Hoffnungen nur anzudeuten. Das hat weder de Rossy noch ihre Figur verdient. Denn obwohl suggeriert wird, diese gehe gestärkt aus dem Scharmützel hervor, bleibt das schale Gefühl, es bliebe für Maria letztlich doch alles beim Alten. Das ist besonders enttäuschend, wenn man gehofft hatte, die Emanzipation eines Dienstmädchen, die es den schnöseligen Bonzen zeigt, zu sehen zu bekommen.

Hinzuzufügen bleibt noch, dass mal wieder das Klischee des älteren Mannes, der mit einer weitaus jüngeren Damen anbandeln kann, bedient wird. Weder macht die Handlung diese Entwicklung erforderlich, noch führt sie irgendwie nachvollziehbar daraufhin. Vielleicht soll gezeigt werden, dass sich Sehnsüchte für kurze Augenblicke erfüllen können. Doch wie bei allen anderen Szenen bleibt dem Zuschauer nur, über den Sinn Vermutungen anzustellen.

Die musikalische Untermalung unterstützt Handlung und Atmosphäre, indem stets der passenden Klangteppich ausgebreitet wird.
Die Handlungsorte wirken authentisch und bieten auch dem Auge etwas. Paris verströmt das typische und beliebte Flair, das heißt Leichtigkeit, etwas Melancholie und ein Gefühl als sei hier vorallem in amoröser Hinsicht alles möglich.

Insgesamt bietet Madame ein launig aufspielendes Ensemble und sowohl witzige als auch atmosphärische Situationen. Auch der ein oder andere Gedankenanstoss lässt sich ausmachen. Einige kurzweilige Minuten sind garantiert. Bedauerlicherweise bleibt das Gesamtergebnis weit hinter seinen vielen Möglichkeiten zurück. Es fehlt entweder an Frische, Frechheit und Luftigkeit oder Tiefgang. Eventuell wollten die Verantwortlichen für jeden Geschmack etwas anbieten, statt sich für einen Weg zu entscheiden. Doch das bleibt wie so vieles eine Vermutung.

6/10 Tickets

6Tickets

Alle Rechte liegen bei den entsprechenden Rechteinhabern.

[Rezension] Michael Bond: Paddingtons große Stunde

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Paddington, der Bär aus Peru mit der Vorliebe für Marmeladenbrote, erlebt wieder allerhand Abenteuer. Dazu gehören u.a. der Wettbewerb um den schönsten Garten, eine Geburtstagsparty für Mr. Gruber, die Teilnahme in einer Kochshow und der Besuch eines Varietés. Natürlich bringt der pelzige Hausgast der Browns sich dabei häufig selbst in die Bredouille. Weiterlesen?

[Filmkritik] Battle of the Sexes

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1972/73:

Die erfolgreiche Tennisspielerin Billie Jean King (Emma Stone) setzt sich für die Gleichberechtigung der Frauen ein. Weil den Spielerinnen weitaus geringere Siegesprämien zuerkannt werden als den Männern, gründet sie eine Vereinigung für Tennisspielerinnen sowie eine eigene Turnierserie. Kein einfaches Unterfangen. Privat hat sie sich das erste Mal in eine Frau (Andrea Riseborough) verliebt, was nicht nur ihre Gefühlswelt auf den Kopf stellt, sondern auch ihr Tennisspiel beeinflusst.
Bobby Riggs (Steve Carell) war ebenfalls ein erfolgreicher Tennisspieler, doch das ist lange her. Jetzt hat er einen Job in der Firma seines Schwiegervaters und frönt dem Glücksspiel. Das erste frustriert ihn, das Zweite seine Ehefrau Priscilla (Elisabeth Shue). Missmutig verfolgt er Billie Jeans‘ Erfolge. Eines Tages hat Bobby die Idee, sie zu einem Match herauszufordern, das nicht weniger beweisen soll, als dass eine Frau niemals so gut wie ein Mann spielen kann. Weiterlesen?

[Filmkritik] Borg/McEnroe – Duell zweier Gladiatoren

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1980:

Das Tennisturnier von Wimbledon steht kurz bevor. Björn Borg könnte mit seinem fünften Sieg bei diesem wohl wichtigsten Tennisturnier der Welt Geschichte schreiben. Der Druck auf ihn ist immens. Medien, Publikum und Gegner scheinen nur auf eine Niederlage zu warten. Vor allem der junge und ungestüme Spieler John McEnroe könnte den Triumph des Schweden verhindern. Doch sein größter Gegner scheint Borg selbst zu sein. Weiterlesen?

[Filmkritik] Blade Runner 2049

BladeRunner

K ist ein Blade Runner. Diese Spezialeinheit der Polizei macht alte, als gefährlich eingestufte Androiden ausfindig und versetzt sie in den sogenannten Ruhestand. Das bedeutet schlichtweg, dass die „Replikanten“ umgebracht werden. Bei einem Routineauftrag entdeckt K etwas Unglaubliches. So unglaublich, dass es die ohnehin fragile Gesellschaftsordnung atomisieren könnte. Der Blade Runner gerät zwischen die Fronten widerstreitender Seiten.

Falls man den ursprünglichen Film von 1982 noch nicht kennt, sollte man das ändern, bevor man sich dem Nachfolger widmet. Zwar ist es möglich der Handlung auch sonst zu folgen, doch mit Vorwissen wird der Filmgenuss ungemein erhöht. Zum einen ist man als Zuschauer schon vertraut mit der gezeigten Welt. Man kehrt in eine bekannte Umgebung zurück, deren Grundlagen man kennt. Zum anderen baut Blade Runner 2049 inhaltlich nicht nur auf seinem Vorgänger auf. Er verwebt dessen Geschichte und führt sie fort. Querverweise und Bezüge lassen sich erkennen, was zu einem tieferen Verständnis führt.

Es kann sein, dass mancher die Prämisse der Geschichte nicht plausibel findet. Weiterlesen?